1945 wurde ich in Görwihl im Südschwarzwald geboren. Bald nach Kriegsende eröffnete mein Vater in Singen (Hohentwiel) ein Textilwarengeschäft. Über diesem Geschäft befand sich eine Wohnung, die meine Familie zu Beginn meiner Schulzeit bezog. Meine Gymnasialjahre waren für alle Beteiligten wenig erquicklich. Außer im Deutschunterricht und natürlich den Kunststunden war ich kaum zu motivieren. Die Sehnsucht nach Beendigung war groß, und wenn man mir damals gesagt hätte, dass ich später als Lehrer wieder an solch einen Ort zurückkehren würde, hätte ich dies für undenkbar gehalten. Immerhin wurden in diesen Jahren eine gewisse Sprachaffinität und vor allem eine ungewöhnliche bildnerische Begabung sichtbar. Das verschaffte mir das Wohlwollen meiner Lehrer und ich galt als förderungswürdig. Allerdings erinnere ich mich an einen bigotten Französischlehrer, der mit großem Triumph eines meiner Frühwerke entdeckte, auf dem ein tief dekolletiertes Frauenzimmer dargestellt war, und er somit endlich beweisen konnte, dass der Schöpfer der Zeichnung ein verdammenswertes und verderbtes Geschöpf sein musste. Lange hatte ich unter seinen sadistischen Neigungen zu leiden.
Meinen Vater irritierten die künstlerischen Ambitionen seines Sohnes zutiefst und er zeigte deutlich Missmut und Widerstand. Auch wenn meiner Mutter ein Naturwissenschaftler lieber gewesen wäre, setzte sie doch ein Volontärjahr in einem Freiburger Atelier durch, das der Abklärung meiner Begabung dienen sollte. Der Leiter des Ateliers schloss mich wohl ins Herz, denn zumindest meine Mutter überzeugte er vom absoluten Muss eines Kunststudiums. Bei Prof. Burke in München trat ich dieses also an. Sein Unterricht war im besten Sinne akademisch, und ich entwickelte, zumindest für mich sichtbar, meine zeichnerischen Fähigkeiten. Nach diesem Münchner Jahr verstarb mein Vater, und meine Mutter bestand darauf, dass ich mein Studium näher bei ihr fortzusetzen hätte. Sie war gezwungen, unser Geschäft weiterzuführen, und da meine Schwester damals noch studierte und mein Bruder kurz davor stand, ein Studium zu beginnen, war diese Zeit für meine Mutter ein gewaltiger Kraftakt.
Ich absolvierte also die nächsten Semester an der Bodenseekunstschule in Konstanz bei Prof. Dietrich. Er führte, schulte und beriet mich behutsam – ich genoss dort die Freiheit, die für meine Entwicklung nötig war. Mein Selbstbewusstsein erstarkte gewaltig, und so legte ich dem damaligen Kurator der Singener Kunstausstellung, Curt Georg Becker, ein paar meiner Arbeiten vor. Offensichtlich war er angetan, denn von da an konnte ich jedes Jahr an dieser sehr honorigen Ausstellung teilnehmen. Weitere regelmäßige Möglichkeiten boten sich danach bei der Hilzinger Kunstausstellung. Umfangreichere Präsentationen folgten in den vergangenen Jahren in der Städtischen Galerie Überlingen und in Schloss Salem.
Gegen Ende des Studiums wurde meine Vorstellung von einer freischaffenden Künstlerexistenz immer mehr verunsichert. Argwöhnisch mussten wir Maler zudem wahrnehmen, dass sich ganz andere künstlerische Ausdrucksformen mit Macht und großem Selbstverständnis durchsetzten. Da meine Sprache ganz ausschließlich die der Malerei war, empfand ich dies als Bedrohung. Der Rückfall in die Bedeutungslosigkeit war zu befürchten. Diese Furcht war Gott sei Dank unbegründet. Derartige Ängste machten es meiner Familie und anderen vernünftigen Geistern leicht, mich vom Nutzen eines kunstpädagogischen Zusatzstudiums zu überzeugen. Trotz meiner unguten Erinnerungen an die Schulzeit trat ich diesen Studienlehrgang in Stuttgart an und fand mich zwei Jahre später als beamteter Kunsterzieher im Schuldienst wieder. In den nächsten 40 Jahren gab es durchaus Momente, in denen ich mit meinem Schicksal haderte, eine künstlerische Entwicklung schien mir nur in freiem Künstlertum möglich.
Es stellte sich aber heraus, dass mir gerade unter Druck und Zeitmangel die besten Ergebnisse gelangen. Die Anregung, die man von Schülern und jungen, unbefangenen Menschen bekommt, ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Über 30 Jahre habe ich als Kunsterzieher an der Schule Schloss Salem unterrichtet und habe dies nie bereut.
Eine wesentliche Prägung erfuhr ich in meinem Jahr in München durch die alten Meister in der dortigen Pinakothek. Viele Stunden verbrachte ich in diesem wunderbaren Haus. Es entwickelten sich flammende Liebesbeziehungen, die zum Großteil heute noch andauern. Die Königsdisziplin war mir immer das „Figürliche“. Vielleicht hatte ich damals die Neigung, die Raffinesse einer Malerei zu sehr zu bewundern und dies zu hoch zu bewerten. Auch heute bin ich nicht ganz frei davon. Die Haut eines Rubenaktes versetzt mich jetzt noch in Verzückung. Längst weiß ich, dass Brillanz nicht Selbstzweck sein kann und sich Virtuosität dem Inhalt unterordnen muss. Trotzdem darf man diese Virtuosität bewundern.
Ich habe schon früh versucht, besonders im figürlichen Bereich eine Bildsprache zu finden, die ihre Herkunft nicht verleugnet und trotzdem eine Form findet, die in ihrer Jetztzeit bestehen kann. Reduzierung, Verfremdung, Überbetonung der Volumina, Eigenständigkeit der Farbe und Strenge der Komposition sind mir Mittel zum Zweck.
Bei allen formalen Ambitionen hat sich ein unverwechselbarer Menschentypus entwickelt, der in seiner Abweichung vom traditionellen Schönheitsideal in seinem Selbstverständnis ruht, dabei eine Wesenhaftigkeit hat, die immer menschliche Facetten, Eigenarten und menschliches Verhalten assoziieren lässt.
Auch wenn das Figürliche im Zentrum meines Schaffens steht, habe ich immer versucht, meine Auffassung und meine Bildsprache auch auf die Darstellung der Landschaft zu übertragen. Hier staffle ich volumenbetonte Versatzstücke mit bühnenbildartiger Wirkung vom Vordergrund in die Bildtiefe. Die Farbpalette ist in diesen Arbeiten deutlich erweitert. Sie sind dem metaphysischen Weltverständnis eines Carlo Carrà seelenverwandt, ihr Zauber bleibt rätselhaft und ihre Logik ist nur einem bildnerischen Regelwerk verantwortlich. Das ideale Bild ist nur zu erreichen, wenn Inhalt und formale Lösung sich gegenseitig zuarbeiten, sich gegenseitig tragen und zwingend ergänzen. Dies gilt für das Figürliche, die Landschaft und das Stillleben.